Schweich/Mosel (Rheinland-Pfalz)

Jüdische Gemeinde - Schweich/Mosel (Rheinland-Pfalz)Bildergebnis für landkreis trier-saarburg ortsdienst karte Schweich ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 8.000 Einwohnern an der Mittelmosel im Landkreis Trier-Saarburg – ca. 15 Kilometer nordöstlich von Trier gelegen (Ausschnitt aus hist. Landkarte, aus: europe1900.eu  und  Kartenskizze 'Landkreis Trier-Saarburg', aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/trier-saarburg).

 

Allererste Spuren jüdischen Lebens in Schweich und Umgebung lassen sich bereits in der Zeit vor den Pest-Verfolgungen finden; danach sind über mehrere Jahrhunderte hinweg hier keine jüdischen Familien ansässig gewesen. Von dem seit 1418 amtierenden Erzbischof Otto von Ziegenhayn wurden dann alle noch im Erzstift verbliebenen Juden ausgewiesen. Gegen Mitte des 18.Jahrhunderts muss dann im Dorfe Schweich eine kleine jüdische Gemeinde bestanden haben; die Wurzeln dieser neuzeitlichen jüdischen Gemeinschaft finden sich aber bereits in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Die wenigen hiesigen Juden standen unter dem Schutz der Trierer Kurfürsten. Zu Beginn des 19.Jahrhunderts nahm die Zahl der jüdischen Bewohner Schweichs deutlich zu; dies mag der günstigen geographischen Lage des Ortes für die jüdischen Vieh- und Kleinhändler zuzuschreiben sein.

Um 1820 wurde in Schweich an der Ecke Reihgasse/Bahnhofstraße eine Synagoge errichtet; im Erdgeschoss befanden sich ein Versammlungs- und Schulraum; der eigentliche Betraum lag im Obergeschoss. 1852 weihte die Gemeinde an der Ecke Richtstraße/Bahnhofstraße ein neues größeres Synagogengebäude aus rotem Sandstein ein, da das alte für die wachsende Zahl der Gemeindeangehörigen zu klein geworden war; die Frauen fanden auf einer Empore Platz, die mit einer hölzernen Treppe zu erreichen war.

In einem Artikel der „Allgemeinen Zeitung des Judentums” vom 1.November 1852 wurde über die Einweihung der Synagogen in Schweich und Bernkastel berichtet:

Aus dem Regierungsbezirk Trier, 8.Oktober. .... theile ich Ihnen den gegenwärtigen Bericht über zwei Synagogeneinweihungen zu Bernkastel und Schweich durch den Oberrabbiner Herrn Kahn zu Trier mit. Die Feierlichkeiten bei Beiden fanden unter großer Betheiligung vieler Israeliten von nah und fern und vieler Christen statt. ... Beide Synagogen sind schöne, geräumige Gebäude und läßt die zu Schweich Nichts zu wünschen übrig. Beide Gemeinden - Bernkastelzählt ca. 12 und Schweich 20 Mitglieder - mußten große Opfer für diese heilige Sache darbringen, und sie brachten sie auch mit gutem Herzen. Einzelne Gemeindemitglieder haben sich besonders durch ihre unermüdete Thätigkeit und Aufopferung ausgezeichnet. So viel nur noch, daß die Feierlichkeiten im Allgemeinen und die Predigten des Oberrabbiners Kahn auf Juden und Nicht-Juden den besten Eindruck ausübten .... Der Gottesdienst wurde seitdem in Bernkastel mit einem sehr guten Chor abgehalten und auch in Schweich war der Gottesdienst ein geordneter und geregelter, so wie man sich dort bestrebt, auch einen Chor einzuführen. Im Allgemeinen nimmt man im hiesigen Regierungsbezirk einen regen Geist wahr für die Verbesserung des Kultus und des Schulwesens, und findet das eifrige Bestreben des Herrn Oberrabbiner Kahn allgemeine Anerkennung.

Über dem Eingangsportal war ein Spruchband in hebräischer Schrift angebracht: „Wie liebenswert ist deine Wohnung, Herr der Heerscharen (Psalm 84,2)“ und „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Wir segnen Euch vom Hause des Herrn her! (Psalm 118, 26) “.

       Innenansicht der Synagoge (hist. Aufn., um 1930, Landesamt)

An das neue Synagogengebäude an der Richtstraße schloss sich ein kleiner Schulbau* an; diesem war auch eine Mikwe angegliedert.

* Anm.: Im Gegensatz zur älteren Religionsschule war die 1852 erstellte Schule für einen längeren Zeitraum als (private) Elementarschule in Nutzung.

Die Besetzung der Schul- und Vorbeterstelle der Gemeinde war einem häufigen Wechsel unterworfen; im letzten Viertel des 19.Jahrhunderts wurde diese Stelle fast jährlich von der jüdischen Gemeinde ausgeschrieben; hier einige Stellenanzeigen aus diesem Zeitraum:

 

aus: "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 17. Mai 1870  und  "Der Israelit" vom 23. Oktober 1878

   

aus: Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 30. Nov. 1880   -   "Der Israelit" vom 14. Juli 1890 und vom 4. Sept. 1893

Der jüdische Friedhof am Lehmbach, der vermutlich gegen Mitte des 18.Jahrhunderts angelegt worden war und 1776 erstmalig genannt wurde, ging erst um 1865 in den Besitz der Kultusgemeinde über.

Seit 1858 war Schweich der Hauptsynagogenort für den gesamten Landkreis Trier.

Juden in Schweich:

         --- um 1740 .........................   7 jüdische Familien,

    --- 1795 ............................   4     “       “    ,

    --- 1808 ............................  48 Juden (in 9 Haushalten),

    --- 1837/40 ..................... ca.  70   “  ,

    --- 1848/49 ..................... ca. 110   “  ,

    --- 1855 ............................ 145   “  ,

    --- 1863 ............................ 144   “  ,

    --- 1885 ............................ 110   “  ,

    --- um 1900 ..................... ca. 100   “  ,

    --- 1923 ............................  85   “  ,

    --- 1933 ............................  89   “  ,

    --- 1938 ............................  28   “  ,

    --- 1939 ............................  10   “  ,

    --- 1942 ............................  ein  “ ().

Angaben aus: Georg Wagner, Aus der Geschichte der Juden in Schweich, S. 54

 

In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts erreichte die Mitgliederzahl der Kultusgemeinde Schweich ihren Höchststand; in den beiden letzten Jahrzehnten wanderte dann ein Teil der jüdischen Bevölkerung wegen besserer wirtschaftlicher Perspektiven in größere Städten wie Trier, Köln oder Frankfurt/M. ab. Um 1900 kam die Abwanderung zum Stillstand. Die etwa 100 in Schweich verbliebenen jüdischen Bewohner waren weitgehend gesellschaftlich angepasst und lebten mit der christlichen Mehrheit unkompliziert neben- und miteinander. Nach der NS-Machtübernahme 1933 verschlechterten sich die Erwerbs- und Lebensbedingungen immer mehr. Bis Anfang 1939 verließen die meisten Schweicher Juden ihren Heimatort; einigen gelang es zu emigrieren, die meisten zogen in größere Städte innerhalb Deutschlands.

Während des Novemberpogroms von 1938 verwüsteten NSDAP- bzw. SA-Angehörige eine Reihe jüdischer Häuser und drangsalierten deren Bewohner; mit Äxten und Brechstangen zertrümmerten sie den Synagogenraum und die Fenster; das Gebäude wurde teilweise zerstört. 1940 ging das Synagogengrundstück in private Hände über; während des Krieges diente die ehemalige Synagoge als Kriegsgefangenenunterkunft. Das Gelände des jüdischen Friedhofs wurde 1939 einem Schweicher Landwirt übereignet; es überstand die NS-Zeit unzerstört. Anfang Dezember 1941 wurden die letzten noch verbliebenen sechs jüdischen Bewohner mit einem Sammeltransport aus Trier nach Osteuropa deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind nachweislich 65 aus Schweich stammende bzw. längere Zeit hier wohnhaft gewesene jüdische Bürger Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/schweich_synagoge.htm).

 

Von 1987 bis 1989 wurde das ehemalige Synagogengebäude (in der Richtstraße), das bis 1984 als landwirtschaftlicher Lagerraum diente und dann von der Stadt Schweich erworben wurde, mit großem Aufwand renoviert; unter Einbeziehung der nebenstehenden „Judenschule“ dient es der Kommune als Kultur- und Tagungsstätte. In der Eingangshalle wird an die jüdischen Opfer der NS-Herrschaft erinnert.

    

Synagogengebäude vor und nach der Restaurierung (links: Landesamt, um 1950?  -  rechts: Kommune Schweich, 2009, aus: wikipedia.org CC BY-SA 3.0)

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Synagogen-Innenraum vor und nach der Restaurierung (links: Landesamt - rechts: Aufn. J. Hahn, 2006)

Auf dem jüdischen Friedhof, der versteckt an einer Böschung des Lehmbaches liegt, erinnern heute noch knapp 90 Grabsteine – der älteste stammt von 1851 - an die einstige jüdische Gemeinde der Ortschaft.

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 Gräberreihen (Aufn. J. Hahn, 2006) und zwei Grabstelen (Aufn. Kommune Schweich 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

Im Ortsteil Mehring existierte auch eine kleine jüdische Kultusgemeinde.

[vgl. Mehring (Rheinland-Pfalz)]

 

 

In der Ortschaft Fell – heute Teil der Verbandsgemeinde Schweich – erinnert eine bereits aus dem 18.Jahrhundert stammende jüdische Begräbnisstätte daran, dass einst hier jüdische Familien gelebt hatten. 18 z.T. kaum mehr leserliche Grabsteine befinden sich auf dem Areal.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20182/Fell%20Friedhof%20174.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20269/Fell%20Friedhof%20195.jpg

Jüdischer Friedhof in Fell (Aufn. Otmar Frühauf, 2008  und  Hans-Peter Laqueur, 2010)

 

 

In Kordel – wenige Kilometer nordwestlich von Schweich – wurde um 1900 für die wenigen im Dorf lebenden Juden am westlichen Ortsrand ein Friedhof angelegt. Heute findet man hier noch vier Grabsteine, die die während der NS-Zeit erfolgte Schändung bzw. Zerstörung überstanden haben. 

                 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20359/Kordel%20Friedhof%20041.jpg Friedhof in Kordel (Aufn. Stefan Haas, 2012, aus: alemannia-judaica.de)

 

 

 

Weitere Informationen:

Richard Laufner, Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung im Gebiet des heutigen Kreises Trier-Saarburg, in: "Kreisjahrbuch Trier-Saarburg 1979", S. 166 f.

Georg Wagner, Aus der Geschichte der Juden in Schweich, in: Festschrift zur Eröffnung der ehemaligen Synagoge von Schweich als Kulturstätte, Hrg. Stadtverwaltung Schweich, Schweich 1989, S. 22 ff.

Wolf-Manfred Müller, Mahnmal und kulturelle Begegnungsstätte: Die ehemalige Synagoge in Schweich ist wiederhergestellt, in: "Kreisjahrbuch Trier-Saarburg 1990", S. 52 - 56

Cilli Kasper-Holtkotte, Juden im Aufbruch - Zur Sozialgeschichte einer Minderheit im Saar-Mosel-Raum um 1800, in: "Schriftenreihe der Gesellschaft zur Erforschung der Juden e.V.", Hrg. H.Castritius/u.a., Band 3, Hannover 1996

Hans-Peter Bungert/Georg Wagner, Die jüdische Bevölkerung im Einwohnerbuch Schweich 1669 bis 1880, Großrosseln 1999

Günter Heidt/Dirk S.Lennartz, Fast vergessene Zeugen - Juden in Freudenburg und im Saar-Mosel-Raum 1321 – 1943, Saarburg 2000, S. 231 f.

Schweich, in: alemannia-judaica.de (mit Text- u. Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 338 – 341

Dekanat Schweich-Welschbillig, Das Leben in und um Schweich 1339 bis 1941“ – Ausstellung in der ehem. Synagoge, Schweich 2010

Willi Körtels, Die jüdische Schule in der Region Trier, hrg. vom Förderverein Synagoge Könen e.V., 2011, S. 132 - 164

Fell - Jüdischer Friedhof, in: alemannia-judaica.de

Hermann Erschen/René Richtscheid (Bearb.), Jüdisches Leben in und um Schweich, online abrufbar unter: juedisches-leben-vgschweich.de/ (Anm. sehr informative Seiten über jüdisches Leben in der unmittelbaren Region)

Alte Synagoge Schweich (Hrg.), "Makom tov" - Der Gute Ort von Schweich – Ausstellung zum Jüdischen Friedhof, Sept./Okt. 2021

Bistum Trier (Hrg.), Zeugnisse jüdischen Lebens in Schweich entdecken, in: bistum-trier.de vom 29.9.2021